Dreifaltigkeitssonntag:
Im Geheimnis daheim
Nach den große Festzeiten Advent und Weihnachten, Fasten- und Osterzeit und Pfingsten feiern wir gleichsam als Zusammenfassung zur Mitte des Kirchenjahres den Sonntag der Dreifaltigkeit. Letztlich geht es dabei um die Frage: Wer oder was ist Gott? Der Schweizer Pfarrer Kurt Marti benennt drei Möglichkeiten, die ich sehr gut nachvollziehen kann:
„Gott, so denkt man oft, so verkünden Eiferer lauthals, sei Antwort. Spröder sagt die Bibel, dass er Wort sei. Und wer weiß, vielleicht ist er meistens Frage; die Frage, die sonst niemand stellt.“
Gott als Frage. Das klingt zunächst sehr fremd und ungewohnt. Bischof Georg Bätzing sagt dazu:
„Unser Sprechen von Gott wird sich verändern müssen, dringend. Wir tun ja als Kirche immer noch so, als wüssten wir eindeutig, wie Gott ist und was er von uns erwartet. Doch in weiten Teilen haben unsere Bilder von Gott und unser Reden über ihn den Anschluss an das Wissen unserer Zeit verloren. So treiben wir nachdenkliche Zeitgenossen nicht selten in einen Spagat zwischen Glauben und Lebensrealität, und den hält man nicht gut aus, man löst ihn besser auf, wie es leider zunehmend viele tun. „Alles geläufige Gott-Sagen jedenfalls bedarf der Prüfung“ (Gotthard Fuchs), das gilt für lehrmäßge kirchliche Vereinnahmungstendenzen ebenso wie für alles banalisierende und trivialisierende Gerede. „Gott klingt wie eine Antwort“, hat Cees Nooteboom vor langer Zeit in die Diskussion eingeworfen, „und das ist das Verderbliche an diesem Wort, das so so oft als Antwort gebraucht wird. Er hätte einen Namen haben müssen, der wie eine Frage klingt.“
Und mir fallen zwei Buchtitel ein: „Gott als Geheimnis der Welt“ und „Im Geheimnis daheim“. Eberhard Jüngel schreibt im ersten:
„Das Geheimnis wird oft mit einem Rätsel verwechselt. Wenn ich das Rätsel gelöst habe, dann hat es seine Rätselhaftigkeit verloren. Je mehr ich aber von einem Geheimnis verstehe, desto geheimnisvoller wird es. Das gilt erst recht von Gott. Er ist ein öffentliches Geheimnis, das man ergreifen soll, vielmehr: von dem man sich ergreifen lassen sollte.“
Albert Einstein stellt fest: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.“
Und Romano Guardini sagte einmal über das Geheimnis:
„Je älter ich werde, desto größer wird das Geheimnis in allem, was geschieht. Aber auch etwas anderes geschieht: Das Geheimnis wird bewohnbar.“
Das Geheimnis besitzt Tiefe, das Rätsel bleibt an der Oberfläche. Das Rätsel ist nur interessant, solange es nicht gelöst ist. Ist die Lösung gefunden, hat es einen Reiz verloren. Ganz anders das Geheimnis: Je mehr ich von ihm verstehen, desto größer wird es. Das Geheimnis fürchtet nicht das Denken, es scheut nicht das Fühlen. Es lädt uns vielmehr ein, seine Größe und Tiefe zu bestaunen. Es lockt uns zu erkennen, mit allen Sinnen wahrzunehmen, und doch kommen wir damit nie zu Ende. Es kann bewohnbar werden, und doch bleibt es ein fremdes Land. Im Geheimnis Gottes können wir daheim sein. Es ist ein Raum, der uns umgibt, in den wir eintreten können, in dem wir leben – und irgendwann auch sterben können.
Heribert Kaufmann