Wort des Pfarrers zum Sonntag

100 Jahre Christkönigssonntag

Christkönigssonntag“ – ein merkwürdiger Titel für den letzten Sonntag im Kirchenjahr, bevor mit dem ersten Advent ein neues beginnt. Da wird Jesus als mächtiger Herrscher gefeiert, als König in aller Macht und Herrlichkeit. Ein Bild, das aus der Zeit gefallen scheint. In demokratischen Staaten gibt’s nämlich keine Könige mehr. Und wenn doch, haben sie keine Macht mehr. Sie sind Symbolfiguren. Mehr nicht. Auch, weil man in der Geschichte schlechte Erfahrungen gemacht hat mit der allumfassenden Macht von Königen und Führern.

Doch die Geschichte des Christkönigssonntags führt in eine andere Richtung. Vor genau 100 Jahren wird das Fest eingeführt. Der vordergründige Anlass: Die 1600-Jahr-Feier des Konzils von Nizäa. Dieses Konzil, eine Art Gipfeltreffen von Bischöfen, markiert eines der wesentlichen Ereignisse in der Geschichte des christlichen Glaubens. Auf dem Konzil von Nizäa wurden im vierten Jahrhundert die wesentlichen Grundlagen des Glaubens festgeschrieben. Hier wird auch von der „Königsherrschaft Jesu“ gesprochen.

Zugleich sind 1925 immer noch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs zu spüren. Die alten Monarchien etwa in Deutschland und Österreich liegen in Trümmern und die weltliche Macht der Kirche ist zerbrochen. Gegen diese zeitgeschichtlichen Entwicklungen betont das Christkönigsfest: Alle Macht der Herrschenden dieser Welt ist relativ und endlich. Ihre Autorität, die auf Gesetze und das Gewaltmonopol setzt, ist begrenzt. Das Königtum Jesu stellt eine andere Autorität in den Mittelpunkt: Die Autorität der Liebe und der Gerechtigkeit.

Wie wichtig das Christkönigsfest nur ein Jahrzehnt später werden sollte, konnte Papst Pius XI., der es eingeführt hat, freilich nicht ahnen. In der Zeit des Nationalsozialismus entwickelte sich der Tag zu einem wichtigen Widerstandssymbol: Junge Katholiken nutzten die Feier, um sichtbare Zeichen gegen den Führerkult zu setzen. Ein Protestfest gegen alle Herrschenden, ein Bekenntnis zum Glauben an Jesus, ein Mutmachfest in schweren Zeiten.

Christkönig am Ende des Kirchenjahres. Ein Fest, das Hoffnung macht. Unsere Geschichte läuft auf Jesus zu, der uns zeigt: Nicht die Liebe zur Macht, sondern die Macht der Liebe soll Triebfeder unseres Handelns sein.

So bleibt der Christkönigssonntag auch für heute ein Fest, das Fragen aufwirft. Alexander Bengel schreibt sie uns als Kirche ins Stammbuch:

Herrschaftszeichen

sind ihm ziemlich fremd

Königliche Würde

strahlt er dennoch aus

Herrschaftszeichen

sind der Kirche gar nicht fremd

Was strahlen wir

noch aus?

Heribert Kaufmann